Die Stadt zwischen den Flüssen aus einer besonderen Sichtweise

 

TN RundgangDie Touristeninformation der Stadt Fürth bietet eine Führung der besonderen Art:

Den roten Faden bildet der Ausdruck "Höfe"





TN Michaeliskirche EingangstuereTreffpunkt ist der Kirchenplatz vor der Michaeliskirche von ca. 1100, deren Hauptschiff, dass als einziges Bauwerk den 30-jährigen Krieg überstand, TN Michaeliskirche aussenSie ist älter als die großen Nürnberger Kirchen (Lorenz und Sebald). Es war eine Zeit lang sogar so, dass St Lorenz eine Tochterkirche von St Michael war, aber das ist ein altes Politikum...
Die Stadt Fürth ist ein Ort, der früher (1007) urkundlich erwähnt wurde als Nürnberg (1050). Die Urkunde, die die Schenkung des alten Königshofes (7.-8.Jhdt) von Heinrich II an das Domkapitel Bamberg beurkundete, gilt als das Gründungsdatum des Ortes, da bis jetzt noch kein älterer Nachweis gefunden wurde.
  TN Michaeliskirche innen Altar TN Michaeliskirche innen Orgel
 



Kirch
hof

TN KirchenplatzDer Kirchplatz und die Umgebung der Kirche war früher ein Friedhof mit liegenden Grabsteinen. Die Grabsteine sind weg. Aber gelegentliche Erdarbeiten (Telekom etc.) bringen immer wieder Knochen ans Tageslicht, was zeigt, dass der Friedhof lediglich oberflächlich geräumt wurde.
TN Kirchenplatz Krokodil 



Handwerker
hof
TN Schroedershof HausDer Schrödershof hat seinen Namen vom Brillenhersteller Schröder. Er war ein Emigrant aus Nürnberg, wo dem Handwerk genau vorgeschrieben wurde, wie viel Meister, Auszubildende es geben darf und vor allem welche Materialien wie und für was verwendet werden durften. Zudem waren die Löhne in Nürnberg sehr hoch. Daher zogen Handwerker in die Nachbarstadt Fürth und konnten dort freier und vor allem billiger produzieren als in Nürnberg. Schröder war einer von Ihnen. Seine hier produzierten Brillen finden sich noch heute in Museen in ganz Europa. Die Ära der Fürther Brillen endete als in Frankreich das elastischere und trotzdem stabilere Brillengestell aus Stahl entwickelt wurde und in Produktion ging. Als letzter Ableger der Brillenidustrie ist die viel später gegründete Firma Winter (UVEX) zu betrachten.
TN Schroedershof Laterne
Im Schrödershof findet sich an einem Haus auch ein Schild mit dem Hinweis auf die Fa Johann Hofmann Trompetenfabrik.TN Schroedershof Trompetenfabrik Diese stellte Spielzeugtrompeten aus Blech her. Eines der vielen Spielzeuge, das fälschlicherweise, den Nürnbergern zugeschrieben wurden.

 

 

Bauernhof
Wir stehen am Marktplatz ("Grüner Markt").
TN Gruener MarktTN Gruene Markt BrunnenEr ist ursprünglich nichts anderes als einen Straßenverbreiterung an einer Kurve, die es ermöglichte durchkommenden Handelszüge ungehindert durchzukommen. Wir stehen an einer alten Handelsroute, die von Frankfurt (letztendlich aus dem "dahinter" liegenden Europa) kommend über Nürnberg bis nach China lief. Hier steht ein sehenswertes Gebäudeensemble. Kein Haus in der Stadt ist älter als von 1634 (Ausnahme Michaeliskirche!). Damals im 30jährigen Krieg hat hier eine durchkommende kroatische Horde die Stadt, nachdem sie nichts Brauchbares (zum Essen) fanden, die komplette Stadt niedergebrannt.
     TN Gruener Markt 2TN Bauernhof GartenTN Bauernhof Schaeune
TN Bauernhof BrunnenHier befindet u.a. ein im barocken Stil errichtetes Bauernhaus mit der daneben liegenden Einfahrt mit einem "Korbbogen" über der Einfahrt in den Hof. Im Hof erkennt man noch die Scheune und die Trinkwasserversorgung: einen Brunnen. TN Bauernhof AusgangUnmittelbar neben dem Brunnen befand sich ursprünglich der Abtritt. Entsprechend dürfte die Qualität des "Trinkwassers" gewesen sein.
Aus dieser Zeit stammt auch die freundliche Empfehlung, dass Schwangere nicht mehr als zweieinhalb Liter Wein täglich trinken sollten...... Der Wein wurde damals übrigens direkt am Regnitzhang vor Ort angebaut. Die Süßung, des wahrscheinlich sehr trockenen Weines, erfolgte damals auch mit Blei(II)-acetat (Bleizucker). Der hiesige Weinbau endete mit dem Beginn der "kleinen Eiszeit". Um an "sauberere" Getränke zu kommen wurde die Weinerzeugung durch das Brauen von Bier ersetzt. Es gab dann in der Stadt 25 Brauereien bei etwa 6000 Einwohneren. Hochgerechnet an der Einwohnerzahl müsste es heute alleine in Fürth etwa 500 Brauereien geben. Es gibt aber nur noch eine halbe. Die übriggebliebene Tucherbräu steht heute genau auf der Stadtgrenze zwischen Nürnberg und Fürth. Humbser, Grüner, Geismann, Lederer (ein Fass Lederer war die erste Fracht des Adler!), um nur ein paar bekannte Brauereinen zu nennen, sind alle , spätestens in den 70ern des 20.Jhts. eingegangen bzw. in die nicht mehr so existierende Patrizier Bräu AG aufgegangen. Inzwischen leben die Namen unter der Tucher Bräu wieder auf.

 
Gasthof Goldener Schwan
TN Goldner Schwan
Gegenüber des vorher erwähntes Bauernhofes steht ein z.Zt. heruntergekommenes großes Gasthaus. Es ist derzeit eine Sanierung im Gange. Dieser Gasthof "goldener Schwan" war einer der zwei Gasthöfe mit "Ausspannrecht".

Diese besondere Ausspannrecht wurde von den Handelszügen auf dieser wichtigen West (Spanien) - Ost (China) Handelsroute rege in Anspruch genommen, die es aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr schafften vor Torschluss in die Innenstadt von Nürnberg zu kommen. Hier entstand auch der Begriff der "Torschlusspanik". Die Händler und ihr Begleitpersonal hatten Angst vor Nürnberg festzusitzen und allen möglichen Unbilden, wie Raub und Hungersnot ausgeliefert zu sein, weil die Stadttore mit Sonnenuntergang gnadenlos geschlossen wurden. Dass sie verhungerten war aber unwahrscheinlich, da die Nürnberger gnädiger weise, den vor der Stadt lagernden Menschen, durch die Schlüssellöcher der Tore Bratwürste steckten um sie zu versorgen. Deswegen haben die bekannten Nürnberger Bratwürste auch Ihre legendäre und heute noch reale Größe.

 

Wohnhof 
Etwas versteckt, neben dem Gasthof goldener Schwan, ist, wie eine Nische in der Häuserfront ein dreiseitig umschlossener Wohnhof. Dieser hatte ursprünglich auf seiner offenen Seite eine Abtrennung zur Straße. Die einzelnen Stockwerke in den, den Hof umschließenden Gebäuden, haben offene Umläufe, die als Zugang zu den einzelnen Wohneinheiten dienen.
TN Wohnhof 1 


Künstler
hof TN Kuenstlerhof Schild

Hinter dem Gasthof goldener Schwan hat sich ein Künstlerhof etabliert. Hier residiert unter anderem, der "fränkische Hundertwasser": die Mosaikkünstlerin Iris Rauh, die beispielsweise die Installationen im Mittelbau des Nürnberger Hauptbahnhofes erstellt hat.

Frau Rauh ließ es sich nicht nehmen sich selbst vorzustellen und etwas Promotion für Ihre Workshops zu machen.
TN Kuenstlerhof Eingang TN Kuenstlerhof
 
TN Pfarrgasse 1Wir gehen zurück über den grünen Markt, dann einen kleinen Umweg nochmals über den Kirchhof der Michaeliskirche und dann durch die Sehenswerte Pfarrgasse. Das ist etwas, was man hier nicht erwartet: eine lauschige Wohnstraße mitten in der Stadt.
 TN Pfarrgasse  TN Pfarrgasse Rabe


Fabrikhof

TN FabrikhofFürth ist traditionell eine Arbeiter und Bauernstadt. Exklusivere Leute (und die, die sich dafür halten) wie Händler und Künstler zog es mehr nach Nürnberg. Daran hat sich bis heute fast nichts geändert. Daraus erklärt sich bis heute das Verhältnis zwischen Nürnbergern und Fürthern, das sich als "etwas angespannt" beschreiben lässt. Das Vorhandensein von Arbeitern setzt natürlich voraus, dass es Arbeitsplätze gibt. So gab es in Fürths Höfen kleine Fabriken (auch mal mit nur 5 MA´s). Einer der Fabrikhöfe ist, wegen des Vorhandenseins von Störchen noch authentisch zu besichtigen. Der Betrieb war mal eine Kürschnerei, der bereits mit einer Dampfmaschine ausgestattet war.
  TN Fabrikhof Schiene  TN Fabrikhof Ausgang
Diese Dampfmaschine war ein Fürther Produkt der J. W. Engelhardt & Co, die 1842 mit der Produktion begann und somit den teuren Import dieser Maschinen aus England überflüssig machte. Später wurde sie auch weltweit durch Brauereiausrüstungen bekannt. Das größte Denkmal, das an Engelhardt erinnert ist der noch heute existierende Stadtpark, der als Verschönerung einer Müllhalde am Regnitzhang von Engelhardt angelegt wurde.
TN Fabrikhof FassadenTN Fabrikhof MaezeneTN Fabrikhof KaminIm Fabrikhof an der Gustavstraße, der vom weiten durch seinen krummen Kamin erkennbar ist, befindet sich noch die eiserne Lorenspur für den innerbetrieblichen Transport der schweren Felle. Die Häuser um den Hof sind alle mit Schiefer verkleidet (Das war eine, auch sonst überall in der Stadt zu sehende Modeerscheinung, um die dahinter liegenden, pflegeintensiven Fachwerke zu verstecken).
 Der erwähnte Kamin, der ursprünglich für die Dampfmaschine errichtet wurde, trägt die Plattform für ein lebhaft verwendetes Storchennest. Erst um 2000 sollte er wegen Baufälligkeit (die man ihn noch ansieht) abgerissen werden. Es fand sich aber eine Gruppe von Sponsoren, die die Sanierung für die Störche ermöglichte.

 



 

Gasthof Grüner BaumTN Gruener Baum Schild

TN Gruener Baum SeiteTN Gruener BaumEin Traditionsgasthof, der früher ein Bauernhof war, mit schöner alter Innenausstattung und großzügigen Räumlichkeiten musste nach etwa 400 Jahren ununterbrochenen Gastbetriebs schließen. Auch die Fürther Familie Löhe (ein Mitglied hieß Wilhelm!) war 1725 bis 1867 Besitzer.
Bemühungen des Gastronomie-Sanierers Frank Rosin zur Rettung scheiterten (von Kabel 1 2015 dokumentiert und ausgestrahlt).

Ein solventer Prinz, der das Ganze mutig wieder wachküsst, wird gesucht. Eine Menge potenzieller Kundschaft wartet schon.

 





 Handwerkerhof

TN KannengiesserhofDer heute etwas unansehnliche Kannengießerhof an der Gustavstraße beherbergte den entsprechenden Berufsstand. Hier wurde Geschirr (Teller, Becher, Kannen) aus Zinn gegossen. Dieses Geschirr war seinerzeit sehr teuer und somit den oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten.

Dazu muss man wissen, dass Zinn in seiner Naturform ein sehr weiches Material ist. Um es zu verfestigen wurde es früher auch mal mit Blei legiert. Vielleicht waren die Adligen deswegen etwas kränklich....



TN Gustavstrasse 2In der Nähe des Kannengießerhofes entlang der Gustavstraße war ab Mitte der 40er des 20sten Jh. eine echte Partymeile. Fast täglich kam die amerikanische MP und hat ihre ausfallend gewordenen Landsleute aus den Kneipen gesammelt. Die Gustavstraße ist noch heute eine Kneipenstraße, die täglich voll ist. Entsprechend tobt hier ein Dauerkampf zwischen einerseits den Anwohnern und andererseits den Kneipenwirten und deren Gästen. Eigentlich sollten die anwohnenden Mieter gewusst haben, auf was sie sich hier eingelassen haben.
Zur Zeit der vorgenannten MP-Einsätze trat hier ein, bis dahin unbekannter östereichischer Künstler als Hillbillysänger auf. Sein Name war Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl-Petz. Später wurde er mit Liedern wie "Junge komm bald wieder" bekannt. Wissen sie, wer gemeint ist?




Gasthof Rotes Ross
TN rotes ross fensterVorneweg: Den Gasthof Rotes Ross gibt es nicht mehr. Er war der andere der zwei Gasthöfe (neben den "Goldenen Schwan") an der durchgehenden Handelsroute mit dem "Ausspannrecht"  und wurde 1476 erstmals urkundlich erwähnt.

TN Waagplatz Rotes RossDas große Gebäude steht noch und trägt als Giebelreiter einen nachträglich aufgesetzten Uhren- und Glockenturm, der im Gegensatz zum Haus, der Stadt gehört und auch von dieser betrieben und gewartet wird. Der Turm stammt von einer, damals in der Nachbarschaft befindlichen, Schule. Warum er umgepflanzt wurde ist nicht mehr nachvollziehbar.

TN Waagplatz BrunnenNach der Auflassung des Gasthauses wurde es von der Stadt zum Kornspeicher umgebaut. Hierfür wurde vor dem Gebäude im Hof eine große Waage errichtet, um die Getreidemengen wiegen zu können.

Diese Waage gab dem Platz und der weiterführenden Nebenstraße die Namen Waagplatz und Waagstraße.

TN Waagstrasse HaeuschenIn der Waagstraße stehen noch 2 kleine aber markante Gebäude, die im Baustil des Rathauses als "Schaufenster" für die dahinter liegenden Gewerke errichtet wurden.

TN Waagplatz FreibankAm Waagplatz steht die städtische Freibank, die als Residenz der Fürther Altstadtvereines dient.

 



Wohn
hof

TN Wohnhof 2TN Wohnhof 2 HausHier an der Königsstraße ist ein Zeugnis der jüdischen Vergangenheit Fürth´s. Die in Nürnberg nicht gelittenen Juden siedelten nach Fürth über. Dort entwickelten sie ein reges Treiben mit Handel und Industrie. Hier, an der Königsstraße, findet sich ein liebevoll, von den Anwohnern gepflegter, Hof. Er wird von verschieferten Häuser umgeben. Auf der linken Seite ist ein hohes Gebäude dessen oberes Stockwerk zu einer (schon lange nicht mehr existierenden) Synagoge umgebaut wurde. Um die Zugänglichkeit zu gewährleisten wurde auf der Rückseite ein noch vorhandener Treppenturn errichtet. In den weiteren Häusern befanden sich Wohnungen und Werkstätten. Die Wohnhäuser waren in Fürth im Durchschnitt mit etwa 22 Personen belegt. Vergleichbare Häuser in Nürnberg zur gleichen Zeit mit 6!


TN Wohnhof 2 TreppenturmIn diesen Hof entstand übrigens einen Gummibandfabrik, die Hosenträger herstellte. Die Fa baute später in der Schwabacher Straße 115 ihr neues Domizil: Ein Jugendstilhaus, dass noch heute zu sehen ist.

 







Es gibt, oder gab noch viele Höfe, die Geschichten erzählen können. Ein Großteil wurde  in den 70er Jahren unter großem Aufwand wegsaniert. Es wurde, für die am Gänsberg wohnende Bevölkerung, ein neuer Stadtteil (die Hardhöhe) errichtet um den alten komplett abreißen zu können. So verschwand mehr als die Hälfte des alten Fürth, das den Krieg nahezu ohne Zerstörung überlebt hat.. Der Rest um die Stadtkirche St. Michael, dem das gleiche Schicksal drohte, wurde durch eine 1974 gegründete Initiative, den Altstadtverein Fürth, gerettet. Dem Verein ist es mit zu verdanken, dass aus dem ehemaligen Scherbenviertel eine Sehenswürdigkeit geworden ist und wird.

TN Tuerschild  Text und Bilder: Dieter Schroth